Französisch - Guyana
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Am 8. August verlassen wir Belem und damit auch Brasilien. Über Nacht ankern wir einige Meilen bevor der Fluss ins Meer fliesst und warten auf den günstigsten Zeitpunkt, um mit der Strömung und genügend Wassertiefe die Barre an der Flussmündung zu überqueren. Vor uns liegen über 670 nM bis nach Kourou in Französisch Guyana. Der Wind ist relativ spitz (von vorne) und wir müssen aufkreuzen. Trotzdem kommen wir, sobald der Guyanastrom erreicht ist, gut voran und laufen mit 10 Knoten über Grund. Die Nächte sind vollmondhell und das Segeln angenehm, denn inzwischen hat der Wind gedreht und wir haben Vorwindkurs. Am 11. August sieht mein Mann auf seiner Spätabendwache zwei feurige Streifen himmelwärts streben. Dies muss der Start einer Ariane Rakete gewesen sein, was sich später auch bestätigte. Ungewollt waren wir nahe Zeugen des Abschusses.

Der Wind wurde immer schwächer, so dass wir unter Motor die Îles du Salut anlaufen und am 13.8. nachts um 01 Uhr vor der Île Royale ankern. Wieder müssen wir auf die Flut warten, denn die Passage zwischen den Inseln und dem Festland ist stellenweise recht untief. Am Montag fahren wir bei Hochwasser die 7 nM nach Kourou hinüber und haben an der untiefsten Stelle gerade noch 50 cm unter dem Kiel.
Im Kourou Fluss liegen wir sehr gut und lassen uns wie die andern Yachten vom ein- und auslaufenden Strom mit bis zu 2,7 Knoten umgurgeln. Die Stadt selbst ist relativ gross, aber nicht dicht gepackt. Die Wohnquartiere der Space Centre Angestellten sind moderner und schöner, als die der Einheimischen. Wir finden hier was wir brauchen: Internet, Wäscherei und auch "Supermärkte". Die meisten Läden werden von Chinesen betrieben und sind täglich von früh bis spät offen (gelegentlich über die heisse Mittagszeit geschlossen).

Uns interessiert das Space Museum und das Space Centre. Im Museum sind die Entwicklung der Trägerraketen, Brennstoff-Technologien, Allgemeines über das All und die Mondlandung dargestellt. Am nächsten Tag schliessen wir uns einer Führung durch das Space Zentrum an. Im grossen Auditorium, wo geladene Gäste und Angemeldete, wie in einem Kino sitzend, den Raketenstart verfolgen können, gibt es eine bebilderte Einführung und eine Startdemonstration auf dem Monitor. Selbstverständlich wird alles in sehr rasch gesprochenem Französisch erklärt, dass meine Ohren und mein Hirn nicht immer alles erfassen können. Dann geht’s mit dem Bus durch das riesige Gelände. An einem Ort weiter weg von anderen Gebäuden wird der Festbrennstoff produziert, an einem andern werden die Raketen zusammengesetzt, an einem weiteren die Satelliten zusammengebaut (von der Auftragsgeberfirma selbst) und die Spitzenkapsel damit beladen. Die Teile werden dann zur Abschussrampe transportiert und montiert. Es sind mindestens drei Abschussrampen in Betrieb: eine kleinere für Forschungssonden und Wetter-Satelliten, die ältere Ariane 4 und die neue riesige Ariane 5 Rampe. Dieses Raumfahrtzentrum zeigt eindrucksvoll, was unsere heutige Technik vollbringen kann.  Cayenne besuchen wir auf dem Landweg. Unser Mitsegler braucht für Suriname ein Visum und muss es sich auf der Surinam Botschaft in Cayenne holen. Schweizer und ganz wenig andere Nationen haben keine Visumpflicht.

Wir verlassen Kourou in Richtung Îles du Salut. Im engen Kanal kommt uns ein grosses Frachtschiff entgegen. Wir müssen ausweichen und runden die Markierungsboje ganz knapp auf der falschen Seite und schon zeigt unser Tiefenmesser null Meter an. Zum Glück "sitzen" wir auf dem sandigen Grund nicht fest.
Wir ankern wieder vor der Île Royale. Dahinter liegt die Île du Diable und rechts die Île St.Joseph. Alle diese Inseln wurden als Gefängnisse benutzt. 1788/89 transportierte man politische Gefangene und nicht regimetreue Jesuiten hierhin. Im 19ten. Jahrhundert wurden in einigen Städten Frankreichs die Gefängnisse geschlossen und die Häftlinge als Zwangsarbeiter nach Guyana geschafft. Die Deportation war lebenslänglich, denn nach Verbüssen der Strafe wurden sie zu Zwangssiedlern der Kolonie. Zwischen 1852-1938 waren 52'000 Zwangsarbeiter, 329 politische Gefangene und 15`600 Wiederholungstäter nach Guyana gebracht worden. Die Haftbedingungen waren mörderisch. Gelbfieber, Malaria und das feuchtheisse Klima forderten ihre Opfer. Die Sterblichkeit lag bei 20-30%, während des Zweiten Weltkrieges sogar bei 48% (Nahrungsmittelknappheit). Die grossen Lager waren in Cayenne und in St. Laurent-du-Maroni. Renitente Gefangene, "führende Köpfe" oder eingefangene Flüchtlinge wurden auf die Inseln gebracht. Grausame Bestrafungen gab es für schon kleine Vergehen oder weil einem Aufseher etwas nicht passte. So wurden Gefangene in dunkle Einzelzellen gesperrt und auf 1/3 Essration gesetzt. Gelegentlich wurde auch in Anwesenheit der Mitgefangenen einer mit der Guillotine hingerichtet. Nachts wurden die meisten Gefangenen angekettet. Auf den Inseln gab's Zellen mit einer Gitter-Decke, so dass der Regen die Zellen unter Wasser setzten und die Sonne unbarmherzig auf den Häftling brennen konnte.
Sowohl auf den Inseln, wie auch in St. Laurent-du-Maroni sind die alten Einrichtungen, jetzt teilweise von Bäumen und Gestrüpp überwachsen, zu besichtigen. Es ist für mich kaum vorstellbar, dass die letzten Gefangenen erst 1946/48 nach Frankreich zurück gebracht wurden. Auch wurde die Guillotine bis Mitte des 20sten Jahrhunderts. gebraucht. Der Film "Le Papillon" zeigt die Zustände recht gut.

Ausklarieren wollen wir in St. Laurent-du-Maroni. Wieder müssen wir gut planen, um zum richtigen Zeitpunkt die Mündung des Maroni Flusses zu erreichen und mit dem Strom hinaufzufahren. In dieser kleinen Stadt gefällt es mir recht gut. Alte Holzhäuser säumen die Strassen, alles läuft (noch) gemächlicher, der Gemüsemarkt ist reichhaltig, es gibt einen Bäcker und viele kleine (chinesische) Supermärkte. Die Formalitäten zum Ein- und Auschecken sind einfach, alles kann in einem Büro erledigt werden. Die Besichtigung des Camp de la Transportation (mit der Zelle Nr. 47 von Papillon) macht mich nochmals betroffen. All diese Grausamkeiten sind nicht im Mittelalter, sondern bis in eine Zeit, als ich schon auf der Welt war, geschehen.
Auf der andern Seite des Maroni Flusses liegt Albina, eine kleine Stadt in Surinam. Es herrscht ein reger Kanuverkehr zwischen Albina und St. Laurent. Eine Grenzkontrolle scheint es nur auf der offiziellen Autofähre zu geben. Eigentlich brauchen die Franz. Guyanesen ein Visum um nach Surinam zu kommen, aber wer kontrolliert schon, wenn man mit dem Kanutaxi hinüberfährt, um in Surinam billiger einzukaufen. Französisch Guayana ist, wie alle franz. Übermeerterritorien, sehr teuer. Bezahlt wird in Euro.
Wir vermissten in Guayana die brasilianische Fröhlichkeit, die lachenden, tanzenden und extrovertierten Leute. Die Guayanesen sind französisch (nach)lässig, hitzeträge und europäisch griesgrämig.
Ein Nachttrip bringt uns von St. Laurent-du-maroni nach Paramaribo in Surinam.

Das faszinierende Surinam wird Thema des nächsten Berichtes sein.



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