Reisebericht Atlantik
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Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wir haben Grosseinkauf gemacht, damit wir genügend Lebensmittel für mindesten 25 Tage haben. Grundnahrungsmittel wie Reis, Teigwaren, Mais, Mehl, Zucker, und Salz. Zur Erweiterung der Menüs Tomatensaucen, einige Gemüse- und Früchtekonserven, Konfitüren, Flöckli fürs Morgenessen, Kraftriegel für die Nachtwache. In einer gepflegten Küche brauchts auch Reibkäse, Käse, Rahm, Butter, Joghurt usw. Die Frischprodukte wie Fleisch und Käse habe ich vakuumiert und eingeschweisst, das Brot ( ein kleiner Vorrat als Reserve) eingepackt und ins Gefriert gelegt. Das Gemüse ( Tomaten, Zucchetti, Gurken) in speziellen Gemüse –Frischhaltesäcken im Kühlschranke gelagert. Erstaunlicherweise hielt alles so gut, dass wir am Ziel noch immer frische Gurken und Zuchetti hatten. Die Äpfel, Bananen, Birnen, Kiwi wurden in luftigen Netzsäcken gelagert und hielten sich bis ans Ziel ( nur die Äpfel). Vorsichtig wie ich bin habe ich auch 5 Mahlzeiten vorgekocht. Man weiss ja nie, ob's Kochen im Sturm möglich ist aber das Essen wäre trotzdem nötig. Die eingefrorenen Mahlzeiten waren in Zweierprotionen abgepackt um allenfalls nur wenig im Mikrowellenofen zu wärmen.

Am Samstag 24.11.2001 haben wir vor dem Auslaufen noch den Dieseltank gefüllt, man weiss ja nie.

Gegen 11 Uhr Mittags verlassen wir den Hafen Puerto Calero auf Lanzarote und stechen in See.

Wir haben unsere Atlantiküberquerung in Angriff genommen.

Unter Segel laufen wir bei guten Winden in die aufkommende Nacht hinein. Bei unserem friedlichen Nachtessen im Cockpit ( trotz Wellen konnte ordentlich gekocht werden) bemerken wir plötzlich weit hinter uns eine rote Fallschirmrakete, dann eine zweit und dritte. Rote Raketen sind Seenotsignale, welche nur im Notfall abgeschossen werden dürfen. Was ist zu tun? Wir laufen bei 4-6-Bf vor dem Wind mit Gross und ausgebaumter Fock. Umkehren ? Den Havaristen irgendwo gegen den Wind und die Wellen suchen ( die Entfernung kann ohne weiteres 20-30 nm sein)? Wir beschliessen mit Funk über den Anrufkanal 16 die Coastguard zu informieren. Wir sind inzwischen auf der Höhe von Fuerteventura. Doch es meldet sich niemand. So informieren wir über unser Iridiumtelefon den nächsten Hafen auf Fuerteventura, welche uns versichern, die Notmeldung weiter zu geben.

Wenig später sehen wir voraus verschiedensten Lichter in einer bestimmten Anordnung. Gemäss den Büchern über die Lichterführung muss das ein Schleppzug über 200 m sein. Bein Nähersegeln erkennen wir die Schleppfahrzeuge und dahinter eine riesige dunkle Masse. Wir müssen sogar ein Ausweichmanöver fahren und umsegeln einen grossen Flugzeugträger, welcher unbeleuchtet ( ausser zwei ganz winzigen Positionslaternen) geschleppt wird. So hat unsere erste Atlantiknacht begonnen und ich hoffe auf meinen Wachen nicht solche Hindernisse anzutreffen.

Der Wachplan spielt sich zunehmend ein. In der Nacht Wachewechsel alle 3 Stunden und tagsüber alle 4 Std. So wechseln die Zeiten für alle, nicht dass jemand immer die mühsamen dunklen Stunden erwischt.

Die Nächte waren sehr verschieden: meistens flaute der Wind etwas ab, konnte aber plötzlich mit dunklen sich über dem Wasser zusammenballenden schwarzen Wolken bis über 30 Knoten auffrischen, das ginge ja noch, aber wenn die Richtung plötzlich um 30-40 Grad ändert, das bringt die Selbststeueranlage etwas ausser Kurs und den Wachgänger in Aktion. Plötzliche Regengüsse lassen den Wachhabenden springen um die Luken zu schliessen. Meistens ist der Spuk rasch vorbei, kann sich aber mehrmals wiederholen.

Die Tage, resp. Nächte waren eigentlich gut ausgelesen, segelten wir doch auf den Vollmond zu. So war es, sobald der Mond da war hell und das Wasser mit silbrigen Wellenkämmen übersät. Vor dem Mondaufgang war der Himmel sternenklar und wurde durch keine andern Lichter gestört. Orion zog jede Nacht seine Bahn übers Schiff. Eine gute Wache war für mich auch zwischen 04-07 Uhr. Langsam wich die Dunkelheit der Morgenhelligheit und die Sonne stieg zwischen den Wolken aus dem Meer. In den drohenden dunklen Regenwolken bildeten sich Regenbogen, manchmal sogar doppelte. Auf ganz ruhigen unstressigen Wachen verkürzte schöne klassische Musik aus dem Walkman

die drei Stunden. Klassik unter dem Sternenhimmel entschädigte fürs Aufstehen und hielt die Müdigkeit fern.

Die Nächte wurden auch zunehmend wärmer, anfänglich brauchte es noch eine Oelzeugjacke, dann noch einen Pullover und in den letzten Tagen genügte ein T-Shirt unter der Schwimmweste.

In der Nacht tragen wir immer Schwimmwesten und waren noch mit der Sicherheitsleine angeleint.

Manchmal musste auf der Wache auch die übrige Crew geweckt werden, sobald ein Segelmanöver gemachte werden musste, sei's Reffen, da der Wind doch gegen 28 Kn. auffrischte, Halse oder auch wieder Ausreffen.

Tagsüber gabs Abwechslung mit Kochen oder auch mal Brotbacken. Das Kochen war recht trickig obwohl der Herd cardanisch aufgehängt ist, d.h. frei schwingen kann und alle Pfannen fixiert sind, hat man immer alle Hände beschäftigt oder zu wenige um alles festzuhalten, zu rühren, etwas aus dem Kasten oder Kühlschrank zu nehmen ohne dass der ganze übrige Inhalt auch herausstürzt. Alle Schubladen, auch im Kühlschrank haben Arretierungen. Um beim Brotbacken das Blechputzen zu vermeiden, versuchte ich das Blech mit einer Blechreinfolie zu schützen. Das war keine gute Idee, das Brot rutschte einfach samt Folie gegen die Backofentüre und wurde etwas deformiert ( die Backofentüre ist auch gegen das Aufspringen beim Schaukeln gesichert). Da alles viel umtriebiger ist, geht das Kochen nicht so fix, aber wir hatten ja genügend Zeit. Das Mittag- und Nachtessen nahmen wir alle 4 gemeinsam ein, das Morgenessen war individuell. Nachmittags war dann Schlaf- oder Lesezeit oder das Schach, Backgammon ( beide Spiele mit Magnetflächen und Steinen) oder Skaten war aktuell.

Unsere Versuche mit der Angel ein Nachtessen zu fangen verlief erfolglos.

Plötzlich wurden irgendwelche Tätigkeiten unterbrochen, da jemand Delphine oder Wale entdeckt hatte. Oftmals begleiteten uns ganze Delphinschulen. Sie schwammen mit dem Schiff um die Wette, spielten vor dem Bug, flitzten unten durch, äugten zu uns nach oben oder schnellten ca. 2-3 m über die Wasseroberfläche und flogen sicher 20-30m durch die Luft, erstaunlich und sehr elegant. Die Wale zogen neben dem Schiff her, surften in den Wellen und zogen dann wieder weiter. Ein weiteres Kapitel sind nachts die fliegenden Fische. Plötzlich klatscht einer aufs Deck und zwei fanden sogar den Weg durchs offene Luk in unsere Kabine und in die vordere Dusche.

Wir segelten immer bei guten Winden zwischen 14-28 BF. Das Schiff lief z.T. bis 12 Kn. und bis auf die letzten zwei Tage brauchten wir den Motor kaum. Irgendwann sahen wir, dass am Grosssegel weit oben der Stoff etwas am ausreissen war. So begann eine Segelnähaktion ( das Segel musste dazu natürlich gebogen werden und wir liefen für diese Zeit unter Motor). Der Schaden wurde nur teilweise behoben, da die Laminatschichten des Stoffes sich lösten. Zwei Tage vor unserem Ziel sahen wir , dass sich ein Querriss von der Flickstelle aus zunehmend vergrösserte. Das hiess: Segel bergen und die letzten 2 Tage unter Motor laufen. Das Vorsegel haben wir belassen, da das Schiff so doch etwas mehr Stabilität und weniger Geschaukel hat. Unter Motor waren wir langsamer als unter Segel. Schade war's für den guten Wind.

Am Dienstag 11.12.01 sind wir in Le Marin auf Martinique eingetroffen und haben im Hafen festgemacht. Eigentlich habe ich erwartet, dass an Land nun der Boden wackelt, aber er tat es nicht. Allem Anschein nach habe ich mich gut angewöhnt, nachdem die ersten 3-4-Tage wieder schlecht ( im wahrsten Sinne des Wortes) waren.

Unsere Überfahrt dauerte 18 Tage und wir haben 2947 nm auf dem Atlantik versegelt. Unser bestes Tages-Etmal war 183 nm mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,64 Kn.

Verpflegt haben wir uns wie die Fürsten und von allem war von allem reichlich vorhanden. Die vorgekochten Mahlzeiten haben wir, da wir zum Glück in keinen Sturm gerieten, nicht gebraucht. Aber im Gefrier liegen sie gut als nächste Reserve.

Hier in Martinique ist es sehr heiss und feucht. Auch regnet es immer wieder, deshalb ist die Insel sehr grün und im Norden Urwald ähnlich. Tropische Blumen, Bäume und auch Früchte und Gemüse wachsen hier. Beim Einkaufen ist es manchmal schwierig, wenn man nicht weiss ob dies ein Gemüse oder eine Frucht ist. Ich habe Christophines gekauft und musste im Laden Einheimische fragen, wie ich diese nun kochen muss. Sie schmecken ähnlich wie Kartoffeln, sind aber etwas süsser, feuchter und das Fleisch ist durchsichtiger ( etwa so wie gut durchgekocht Kohlraben). Ich habe daraus einen "Kartoffelsalat" gemacht.

In diesen Tagen wird nun alles am Schiff geflickt, geputzt, gewaschen und die Insel entdeckt. Manchmal fahren wir auch mit dem Beiboot aus dem Hafen und den Ankerliegern heraus in eine Nebenbucht zum Schwimmen. Das Wasser ist lauwarm und kaum eine Abkühlung.

Bald geht’s weiter südwärts um die nächsten Inseln zu entdecken. Sicher werden wir uns in Martinique wieder genügend mit frischen Lebensmittel eindecken, denn wir wollen ja in Buchten ankern und nicht in Häfen einlaufen. Martinique ist eine französische Provinz und es wird schon mit dem Euro gerechnet und teilweise sind die Kassen schon umgestellt. Es dauert ja nur noch wenige Tage bis zur Umstellung.

Hier in der Wärme ist es sehr schwierig sich vorzustellen, dass in einer Woche Weihnachten sein soll. Es hat in den Geschäften und teilweise in den Privathäusern weihnachtliche Dekorationen aber eine richtige Weihnachtsstimmung merke ich nicht, obwohl ich gestern trotz der Hitze Kokosmakrönli und Zimtsterne (allerdings keine Sterne ausgestochen, sondern "Viereggli" geschnitten, da der Teig sofort zerrinnt) gebacken habe.

Ich wünsche allen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr und würde gerne etwas Wärme in die Schweiz senden, wir haben davon genug.

U. Gernert-Streiff, eigene Email- Adresse: ursi.gernert@sevenseas.ch, Emails muss ich über mein Handy abrufen (funktioniert nur in genügend Landnähe), bitte keine Bilder senden runterladen dauert zu lange.

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