Brasilien: Landreise süd und südwestwärts von Salvador da Bahia aus.
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Es ist schwer in Brasilien Zeitpläne einzuhalten. Dies betrifft vor allem unser Weitersegeln nach Recife. Seit drei Tagen warten wir, dass unsere Pässe vom Immigrations Officer angeschaut werden, um das OK zum Auslaufen zu erhalten. Die Verzögerung hat auch etwas Gutes. Erstens regnet es dauernd und zweitens erleben wir hautnah den Fussball WM Taumel der Brasilianer. Vor 3 Tagen spielte Brasilien am Nachmittag gegen Kroatien. Eine Stunde vor Spielbeginn stand das Leben still. Alle Läden und Büros schlossen, kein Taxi war am Standplatz und die Strasse waren verlassen. Dafür versammelten sich die Brasilianer, in grün/gelbe T-Shirts, Röcke oder Fahnen gehüllt, vor den Fernsehern an Tankstellen und Restaurants oder auf den Altstadtplätzen vor dem Grossbildschirm. Schon nach der ersten Halbzeit ging das Feiern los. Überall dröhnt Musik. Es wird getanzt und gejubelt. Ganz zu schweigen von der Knallerei.
Und nun zu unserer Reise.

Unser erster Flug brachte uns nach Cuiabá und mit einem Vierradauto ging's weiter auf Schotter- und Naturstrassen in den Pantanal. Dies ist ein 230 000 km² grosses Überflutungsgebiet teilweise zu Bolivien und Paraguay gehörend. In der Regenzeit ist das Land grösstenteils 1-3 m unter Wasser, nur einige wenige Hügel bleiben trocken. Hier stehen die Farmhäuser und die wenigen Pousadas (Pensionen/Hotels). Alle nicht schwimmfähigen Tiere retten sich ebenfalls auf diese Anhöhen. In der Trockenzeit ist der Pantanal ein riesiges Viehzuchtgebiet mit Tausenden von Rindern. Die meisten werden vor Einsetzen der Regenzeit zum Schlachthof getrieben. Je nach Jahreszeit ist das Hauptverkehrsmittel das Boot, das Pferd oder das Auto. Jetzt ist beginnende Trockenzeit und der Wasserspiegel ist schon 1½m zurückgegangen. Die Strassen sind einigermassen passierbar. Das ablaufende Wasser hinterlässt auf den Wiesen Sumpfpartien und Tümpel wo die zurückgebliebenen Fische, Krebse und Frösche zur leichten Beute der Vögel werden. So versammeln sich hier Hunderte verschiedenster Vogelarten. Störche gibt’s so weit das Auge reicht. Der grosse Jaribu Storch (1,6m hoch, Flügelspannweite 2m), der schwarze und der rosarote Löffelschnabelstorch stolzieren futtersuchend durchs Wasser. Aasgeier und Raubvögel kreisen in der Luft und in den Bäumen und Büschen flattern bunte kleine Vögel und krächzende Papageien. Wir entdecken diese faszinierende Flutlandschaft im Boot, zu Fuss, und auf dem Pferderücken. Meine ersten Reiterfahrungen sind sehr positiv. Mein erstes Pferde merkte natürlich sofort, dass ich ein Pferdeneuling bin und versuchte dauernd mit raschen Kopfbewegungen mir die Zügel aus der Hand zu reissen. Abends weideten zwischen den Bungalows der Pousada Capybaras. Das sind pflanzenfressende Tiere, welche wie schweinsgrosse Meersäuli aussehen und sehr gut schwimmen können. Leider war das Wetter sehr nass und die vorgesehene Kanufahrt viel buchstäblich ins Wasser.
Auch die nächsten Tage in São Paulo waren kühl und feucht. Die Stadt selbst hat wenig Sehenswertes ist aber als grösste Industriestadt Brasiliens eindrücklich, vor allem auch mit dem extremen Verkehrsstau. Um von A innerhalb der Stadt nach B zu gelangen sind Fahrzeiten von 1-2 Stunden normal.

Eine Touristenattraktion Brasiliens ist der Foz do Iguaçu, die 275 Wasserfälle des Iguaçu Flusses. Die Mehrzahl der Kaskaden liegt auf der Argentinischen, die spektakulären auf Brasilianischer Seite. Um noch eine andere Wasserfallperspektive zu haben, fuhren wir mit einem Boot auf dem Fluss nahe an die strudelnden Wassermassen heran. Ich war beeindruckt, wie das Boot die starke Strömung überwand und die Stromschnellen passierte. Nass wurden wir sowohl auf dem Boot, als auch auf den Fusswegen.

Ein Direktflug brachte uns nach Rio de Janeiro. Rio ist eine wunderschöne und vielfältige Stadt. Die Gondelbahn transportierte uns auf den Pão de Açùcar, von wo wir eine herrliche Fernsicht über die Stadt hatten. Vom Gipfel des Corcovado, wo die berühmte riesige Christusstatue steht, war die Sicht durch Nebelschwaden behindert. Eine Stadtrundfahrt planten wir für Sonntag. Eigentlich ist dies keine gute Idee, da die meisten Städte am Sonntag leer und öde sind. Hier hat es sich bewährt, denn der Verkehr war gering und wir konnten an verschiedenen Orten anhalten, um etwas anzuschauen, wie zum Beispiel den Sambadrome. Ich habe gedacht, dass der Karneval in ganz Rio stattfindet, aber er ist auf den Umzug in diesem speziellen Stadion beschränkt. Am Sonntag waren dafür die berühmten Strände Copacabana und Ipanema bevölkert. Hier wird die Sonne genossen und geflirtet, Volleyball gespielt, Musik gemacht, Allerlei verkauft und ein kühles Getränk genossen. Am nächsten Tag wagten wir uns als Fussgänger ins Centro (Altstadt) und schlenderten mitten unter den Volksmassen in den Gassen den Marktständen entlang. Unsicher haben wir uns nie gefühlt, aber vorsichtshalber trugen wir kaum Bargeld oder Wertgegenstände auf uns.

Die Distanzen in Brasilien sind enorm, deshalb ist das Flugzeug das geeignetste Verkehrsmittel. Aber für die 7-stündige Strecke nach Belo Horizonte wählten wir einen komfortablen Reisebus. Wir wollten von der bergigen Landschaft mit viel Grün und roter Erde auch etwas sehen. Von dort fuhren wir weiter zu den alten Kolonialstädten des Staates Minas Gerais (Allgemeine Minen). Der Name des Staates sagt schon alles. Hier werden die reichen Bodenschätze wie Bauxit, Eisenerz, Edelsteine und Gold abgebaut. Der Goldrausch im 18.Jahrhundert brachte die Siedler von der  Küste über die Berge in diese höhergelegenen Orte. Es entstanden Städtchen, von denen einige noch heute sehr gut erhalten respektive renoviert sind. Als erstes besuchten wir Ouro Preto. Zwei bis dreistöckige Häuserzeilen begrenzen die mit Kopfsteinpflaster ausgestatteten, teilweise extrem steilen Gassen. Grosse Plätze öffnen sich weit, um den Blick auf barocke Kirchfassaden freizugeben. Wohin man schaut, immer kommt eine Kirche ins Blickfeld, sei es in nächster Nähe oder weiter weg auf der gegenüberliegenden Stadtseite. Das Äussere der Kirche ist schon prächtig und im Innern muss man vor Goldglanz die Augen schliessen. Es wurden bis zu 400 kg Gold für die Innenverziehungen und Altäre verwendet.

Auf dem Weg nach Mariana fuhren wir mit einem alten Stollenwagen in eine Goldmine unter Tag. Zwischen den Gneis und Quarzschichten kann man noch immer Goldvorkommen sehen. Abgebaut wird nicht mehr. Früher wurde pro Tag bis gegen 400 kg Gold gefördert.

Am nächsten Morgen ging's weiter über São Joào del Rei nach Tiradentes. Dieser Ort ist ebenfalls eine völlig intakte Kolonialstadt. Wie in Ouro Preto ist ein Aufenthalt von 2-4 Tagen sinnvoll, insbesondere da man in Tiradentes auch noch auf Pferderücken die Gegend erkunden kann. Wer Lust hat fährt (leider nur am Weekend möglich) mit einem alten Zug, gezogen von einer aus dem 19-then Jahrhundert stammenden Dampflokomotive, von São João nach Tiradentes. Auf dem Weg zum Flughafen von Belo Horizonte machten wir in Congonhas einen Zwischenstop. Vor der Basilica do Bom Jesus de Matosinhos stehen alle Propheten des Alten Testamentes gemeisselt von Aleijadinho. In den 6 (zimmergrossen) Kreuzweg Kapellen rechts und links der zum Hauptportal führenden Allee sind die Leidensstationen Christi nicht in gemalten Bildern dargestellt, sonder mit lebensgrossen Figuren. Diese Kapellen sind sehr eindrücklich.
In all den erwähnten Kolonialstädten war der Steinmetz und Bildhauer Aleijadinho, mit richtigem Namen Antônio Francisco Lisboa (1738-1814) tätig. Der Maler der häufig die Deckenbilder malte war Manuel da Costa Ataìde. Aleijadinho war durch eine Krankheit (Lepra?) behindert, im Laufe seines Lebens verlor er seine Finger und Zehen. Er band sich Hammer und Meissel an seine verkrüppelten Hände und schuf Figuren von seltener Schönheit. Sie sind anatomisch korrekt und detailliert und die Gesichtszüge fein und differenziert. Viele schwarze Sklaven arbeiteten mit ihm und er selbst war der Sohn eines Portugiesen und einer schwarzen Sklavin. So sind die Heiligen, die Engel und die meisten anderen Figuren dunkelhäutig. Wenn man einzelne Details betrachtet sieht man, dass auch der Frust der Sklavenarbeiter oder der Ärger des Künstlers mit der Kirche Eingang in die Kunstwerke fanden. Engel schneiden Grimassen, es gibt verkrüppelte oder siamesisch zusammengewachsene Engel, ja sogar splitternackte und schwangere Engel zieren einige Altare. Die Propheten von Congonhas waren eines der letzten Werke des schwer kranken Künstlers. Ataide, welcher von der Kirche keine Erlaubnis erhielt seine Lebenspartnerin (er hatte mit ihr 7 Kinder) zu heiraten, widmete ihr ein Deckengemälde, indem er sie als Maria ins Zentrum setzte und musizierende Engel auf eine Partitur mit Hochzeitsmusik schauen. Das Bild wurde vom Künstler mit einem Lack behandelt, dass ein Übermalen unmöglich machte.
Alle diese Kolonialstädte in Minas Gerais sind eine Reise wert.
Der Rückflug von Belo Horizonte nach Salvador mit der Varig war mühsam. Zuerst wurde unser Flug gestrichen und wir auf den letzten Nachtflug umgebucht, dann war dieser noch eine Stunde verspätet. Die beiden anderen Fluggesellschaften Gol und TAM waren zuverlässig.

Rasch waren wir wieder an den Schiffsalltag angewöhnt und haben alles für das Weitersegeln vorbereitet. Womit ich wieder am Anfang dieses Berichtes bin.

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