Grenada - Curaçao (Niederländische Antillen, ABC Inseln), 29.4.03 bis 29.6.03
Zurück Seite 9 Weiter


Es ist wieder so weit. Am Schiff sind alle nötigen Reparaturen gemacht, Motor, Generator, Wassermacher gewartet, Lebensmittel für die nächsten Wochen an Bord und wettermässig sieht es gut aus. Zwischen 17 und 18 Uhr heisst's Anker auf und wir segeln mit achterlichem Wind (Wind von hinten) in den Abend hinein. Unsere Strecke zu den Inseln Los Testigos (zu Venezuela gehörend) ist so lange, dass wir sie nicht bei Tageslicht bewältigen können. Eine alte Seefahrer Regel heiss: kein Landfall nachts in einem unbekannten Gebiet, so starten wir abends, um am Morgen anzukommen. Gute Winde (16 –21 Kn.) aber auch grosse Wellen (!) tragen uns zu den Los Testigos, welche wir im Morgengrauen erreichen. Unser Anker fällt in der Balandra Bay der Isla Testigo Grande. Wir liegen sehr gut mit Anker und einer Heckleine an Land.

Zum Anmelden müssen wir mit dem Beiboot zur Nachbarinsel Inagua übersetzten. Wir werden äusserst höflich von den jungen Soldaten der Guarda Costa empfangen, welche in einem dicken Buch alle Angaben von Schiff und Mannschaft notieren. Wir dürfen 3 Tage hier bleiben, bis wir offiziell auf der Isla Margarita in Venezuela einklarieren müssen. Neben uns ankert ein Schiff mit einer einheimischen Familie an Bord, welche immer am frühen Morgen mit dem Beiboot zur Hauptinsel fährt, denn die Kinder müssen dort zur Schule.

Unsere Ankertage verbringen wir mit Inselentdeckung und Schnorcheln. Das Markanteste am Ufer ist eine riesige ca. 30m hohe Sanddüne, die wir natürlich besteigen. Oben angekommen (ein Schritt aufwärts, einer rückwärts) bietet sich uns ein atemberaubender Rundblick auf die andern Testigos Inseln. Abwärts hüpfen und springen wir im weissen, pulverförmigen Sand, wie wenn es Neuschnee wäre. Am nahegelegenen Riff ist das Schnorcheln sehr lohnend. Noch nie habe ich so viele verschiedenste Korallen gesehen: breite riesige grüne Korallenfächer, blaue "Schleierkorallen", knallgelbe Röhrenkorallen und Hirnkorallen, dazwischen tummeln sich hunderte von bunten Fischen aller Grössen. Ich komme mir vor, wie wenn ich in einem tropischen Aquarium schwimmen würde.

Unsere erlaubten Ankertage in den Testigos sind schnell vorbei und bei Tagesanbruch segeln wir in Richtung Isla Margarita. Wir steuern Porlamar an und werden vor dem Einlaufen und Ankern daran erinnert, dass das Kap nicht zu nahe gerundet werden sollte. Auf der vorgelagerten Sandbank ragt nämlich ein Mast eines gesunkenen Segelbootes aus dem Wasser. Wir ankern zwischen zahlreichen andern Segelschiffen verschiedenster Nationen und lassen uns im Schwell (eher unangenehm) schaukeln.

Die aufwändigen Einklarierungsformalitäten (wieder x Büros verteilt in der Stadt) überlassen wir einem Agenten und nutzen die Zeit lieber für eine ganztägige Taxirundfahrt auf der Insel. Schöne weisse touristisch erschlossene Strände sind der Stolz der Einheimischen. Im Landesinnern in den Hügeln und in grünen Tälern liegen die Hauptstadt Asunción und der Wallfahrtsort El Valle. Hier wohnt man angenehmer, resp. kühler als auf der restlichen trockenen Insel. Für unsere Begriffe lebt es sich hier in Venezuela sehr billig. Der Taxifahrer verlangte für den Tagesausflug nur 25 US$ und das Mittagessen für 4 Personen (inkl. ein Châteaubriant für 2 Personen) kostete die Bordkasse 26 sFr.

Die Einheimischen leben sehr bescheiden und finden es kaum billig, da auch die Verdienstmöglichkei-ten gering sind. Der Aufpasser am Steg, wo wir bei einem Landgang unser Dingi festmachen konnten, bekommt pro Boot 1000 Bolivar. Dies entspricht ungefähr 70 Rappen.

Porlamar und Juan Griego (auf der anderen Seite der Insel) sind unsere letzten Stationen für den Einkauf. Wir planen die nächsten Wochen auf den kaum bewohnten, der Küste Venezuelas vorgelagerten Inseln zu verbringen. Ich bin erstaunt, wie vollständig und reichhaltig die Auswahl in den recht schönen Supermärkten ist, obwohl der Generalstreik in Venezuela noch nicht so lange zurück liegt. Es fehlt einzig Mehl, aber nach "Abklopfen" aller Läden in Juan Griego werde ich dennoch fündig. Ich brauche einige Kilos, denn Brotbacken ist in den nächsten Wochen angesagt.

Am 9. Mai verlassen wir sehr früh am Morgen die Isla Margarita und segeln nach Blanquilla, wo am späteren Nachmittag vor der Playa Yanque unser Anker zwischen den Korallen auf Sandgrund fällt.

Kaum ist unser Ankermanöver abgeschlossen kommt ein Fischerboot vorbei und will einen grossen Fisch gegen eine Flasche Rum abtauschen. Wir können nur Bolivar oder Dollars anbieten und erhalten den Fisch dann doch.

Der Wind zerrt die ganze Zeit an Schiff und Ankerkette. Dieses Jahr sind die Passatwinde aussergewöhnlich stark und wir hören immer wieder in der Morgenfunkrunde, dass dies in der ganzen Karibik so ist.

Der Kontakt und die Hilfeleistung unter den Seglern ist gut. Es gibt mehrere sogenannte Funknetze: Am Morgen recht früh ein englisches ( amerikanisches) mit gutem Wetterbericht, dann das Security-Net mit Angaben wo was gestohlen wurde oder wohin man im Moment lieber nicht fahren oder ankern sollte. Um 9 Uhr sind dann alle deutschsprachigen Schiffe am Funk im Hugo-Netz. Hugo ist ein Schweizer, welcher seit Jahren in der Karibik Charterfahrten macht und Koordinationsstelle ist. Wenn man irgend ein Problem hat meldet man sich. Sicher weiss ein anderer Segler auf dem Netz wo oder wer etwas flicken kann, wo's Ersatzteile gibt. Eines Morgens meldete sich ein Segler, welcher in der Nacht mit einem anderen Boot zusammengestossen war. Der Bug und die Rolleinrichtung des Vor-segels als auch das Ruder waren beschädigt. Das Schiff konnte noch fortbewegt werden, aber für das Einlaufen in eine Bucht auf Guadeloupe war es zu wenig manövrierfähig. So wurden über Funk die anderen Ankerlieger in der Bucht benachrichtigt, damit diese mit ihren Beibooten das havarierte Schiff reinschleppen konnten.

Blanquilla könnte man auch die Esel- und Kaktusinsel nennen. Hier ist es so trocken, dass es sehr wenig Sträucher gibt, dafür eben Kakteen. Die dürren Stacheln sind so lang und stark, dass sie ohne weiteres die Sohlen guter Joggingschuhe durchstechen. Man lernte rasch aufzupassen, wo man hintrat und ich fragte mich, wie machen das die vielen wilden Esel und was finden sie zum Fressen. Trotz dem stachligen Gelände gingen wir auf Entdeckungsreisen und erlebten etwas ganz Beson-deres.

Von einem kleinen Hügel aus sahen wir eine von Mangroven gesäumte Bucht, dorthin wollten wir. Je näher wir kamen, desto mehr stank es und plötzlich sahen wir zwei Esel, die je bis zum Bauch in Schlammlöchern steckten, uns müde anschauten und bei jeder Strampelbewegung tiefer einsanken. Im dritten Loch lag ein verwesender Esel und einige Knochen.

Wie können wir die Esel ohne Seil und Hilfsmittel retten, fragten wir uns. Da kam uns die Idee die Esel an den langen Ohren zu packen und zu ziehen, einmal in diese, dann in eine andere Richtung bis die Vorderbeine aus dem Morast draussen waren und der Graupelz selber etwas mithelfen konnte. So gelang es uns beide aus der Todesfalle zu befreien. Der zweite Esel, eine trächtige Eselin, blieb nach der Befreiung noch stehen und schaute uns lange an bevor sie weg trabte.

Unser nächstes Ziel sind die Los Roques, ein Archipel verschiedenster kleiner und kleinster unbe-wohnter Inseln mit Sandstränden, Riffen, untiefen Passagen und türkisblauem klarem Wasser.

Wir segeln wieder in der Nacht, um beim Morgengrauen die Hauptinsel El Gran Roque zu erreichen und bei Helligkeit vor dem (einzigen) kleinen Ort in der Inselgruppe zu ankern. Eine hohe Gebühr wird uns für den maritimen Nationalpark abgeknöpft. In der Wegleitung wir angegeben, dass der Müll an den gängigsten Ankerplätzen eingesammelt werde. Dem war nicht so, so dass ich unseren Kehricht über die ganze mehrwöchige Inselzeit sammelte und erst in Bonaire ordentlich entsorgen konnte.

Wir verbrachten herrliche 3 Wochen in dieser Inselwelt. Alle paar Tage wechselten wir den Ankerplatz.

Francisqui liegt nahe bei El Gran Roque und die traumhaften Strände werden von den Touristen, die tagsüber hergebracht werden, belebt.

Auf Crasqui assen wir in einer einfachen Fischerhütte einen ausgezeichneten Fisch mit Safranreis und Chabissalat. Neben dem Schiff stürzten sich immer wieder fischende Pelikane ins Wasser bedrängt von den immer hungrigen, kreischenden Möwen. Vor Sarqui musste der Ankergrund sorgfäl-tig ausgesucht werden, da nur wenige Sandstellen zwischen den Korallen zum Ankern geeignet waren. Unser Anker hielt, aber ein einheimisches Motorboot driftete gegen uns, nachdem sein grosses Motorbeiboot uns schon vorher mal gerammt hatte. Zum Glück entstand kein Schaden.

Die Inseln sind so niedrig, dass das Schiff selbst in der Abdeckung ist, nicht aber das Masttop mit dem Windmesser: Dieser zeigte permanent 20- 27 Knoten an. Meistens ankert man nicht in einer Bucht, sondern einfach auf der Leeseite (vom Wind abgewandte Seite) einer Insel. Auf Carenero, resp. Felipe, fanden wir die ideal geschützte Bucht. Hier hinter den höheren Mangroven lagen auch die einheimischen Fischerboote und vom starken Wind war kaum etwas zu spüren. Vor Caya de Agua schaukelten wir im Schwell, wieder konnte der Wind über die flache Insel blasen, aber dafür breitet sich einmal mehr ein kilometerlanger Strand von feinstem, pulverförmigen, weissem Sand vor uns aus. Tagsüber werden einige Touristen mit Booten hergebracht, stecken die bunten Sonnenschirme in den Sand, klappen Liegestühle auf und verpflegen sich aus den mitgebrachten Kühlboxen. Gegen Abend verschwinden sie wieder, der Strand wird einsam und jetzt ist es Zeit für unseren Landgang. Nachts breitet sich ein herrlicher Sternenhimmel über uns aus, allerdings stehen die Sternbilder, wie z.B. der grosse Wagen auf dem Kopf und der Polarstern tief über dem Horizont.

Wir verlassen die herrliche Inselwelt der Los Roques wieder und segeln zu den Islas de Aves. Diese Inseln, vor allem Aves de Barlovento, Isla Sur ist bekannt wegen ihrem Vogelreichtum. Vor Jahrhun-derten wurde hier Guano gewonnen, jetzt allerdings nicht mehr. Schon beim Einlaufen in die Bucht (Einfahrt mit "Eybal Navigation", d.h. Untiefen werden an der Wasserfarbe erkannt und umfahren) riecht man den Vogelreichtum. Mit dem Beiboot befahren wir die Wasserkanäle in den Mangroven. Tausende von rotfüssigen braun oder weiss gefiederten Tölpeln sitzen auf den Ästen, sind zum Greifen nahe und lassen sich kaum stören.

Weiter geht’s nach Curricai (Long Island), welches zur Inselgruppe der Aves de Sotavento gehört. Auf einer Nachbarinsel befindet sich eine Coast Guard Station und es dauert nicht lange, bis ein offenes, sehr altes Holzboot mit verblasster Aufschrift "guarda costa" auftaucht und längsseits kommt. Wir sind nicht so sicher, ob das wirklich die Coast Guard ist. Im Boot sitzen 6 Männer in irgendwel-chen T-Shirts, keine Uniformen und das auszufüllende Formular ein "Häuschen"- Papier von Hand in Kolonnen eingeteilt.

Vorsichtshalber fotografieren wir das Boot und die Männer, was überhaupt nicht geschätzt wird, aber wir glauben, dass eine vorhandene Fotodokumentation Überfällen vorbeugen kann. Die Männer waren dann sehr korrekt und es scheint sich wirklich um die Guarda Costa gehandelt zu haben.

In den ersten Junitagen erreichen wir Bonaire (Niederländische Antillen, ABC-Inseln) und laufen in den Hafen der Hauptstadt Kralendijk ein.

Die Zivilisation hat uns wieder mit deren Vor- und Nachteilen.

Es gibt Einkaufsmöglichkeiten, Duschen, eine Wäscherei, aber auch wieder Autos und Verkehr. Das Schiff muss dringend "entsandet" und entsalzen werden. Alles ist von Inselsand braungelb und salzig klebrig. Wir gönnen uns auch freie Tage, um die Insel zu erkunden. Bonaire ist bekannt für die Salzgewinnung. In riesigen flachen Becken wird das Salz auskristallisiert. Dies dauert mehrere Monate, bis die Salzkristalle mit dem Bagger zu Haufen zusammengetragen werden und über Förder-bänder verladen werden können. Wenn es nicht so heiss wäre, könnte man glauben, dass die Bagger Schnee räumen und zu Haufen schichten würden. Nahe der Salzseen sind Duzende von kleinen Häuschen in Reihen angeordnet, die Türen so niedrig, dass man nur rein kriechen kann und drinnen nicht aufrecht stehen. Die sind die Sklavenhütten der ehemaligen Salzarbeiter.

In den Salzseen wohnen und fischen hunderte von Famingos.

Auf der Fahrt entlang der Küste passieren wir Duzende von markierten Tauchstellen. Bonaire ist ein Tauch- und Schnorchelparadies. Hotel- und Ferienangebote sind darauf ausgerichtet. Im Westen der Insel ist der Washington Slagbaai Nationalpark. An der Küste sind sog. Blowing Holes, d.h. Öffnungen in den Klippen durch welche das Wasser durch die Wucht der Wellen hinein- und heulend in einer Fontäne oben herausgepresst wir. Der Uferbereich ist terrassenartig: vom Wasser ausgeschliffene Felswand, Sand-/Erdfläche, Felswand und wieder horizontaler Erdbereich und dann die Klippe zum heutigen Meeresspiegel. Die beiden Terrassen entstanden vor 1 Mio. resp. ca. 340'000 Jahren, d.h. damals muss der Meeresspiegel einiges höher gewesen sein. Sandpisten führen durch den Park und sind nur mit einem Pickup Truck zu befahren. Leguane (bis ca. 1 m lang) und Eidechsen verschieden-ster Grössen und Farben kreuzen die Wege und bunte Vögel, auch Papageien, fliegen von Baum zu Baum, resp. von Kaktus zu Kaktus. Es ist eine trockene Landschaft mit wenig Grün, aber die vielen verschiedenen braunen, rotbraunen und gelbbraunen Farbtöne haben einen besonderen Reiz.

Am 17. Juni verlassen wir Bonaire und segeln nach Curaçao, der zweiten der ABC-Inseln (die dritte ist Aruba).

Durch einen engen Naturkanal gelangen wir ins "Spanish Water", eine tief eingeschnittene verzweigte sehr grosse Bucht. Hier ist unser Ziel: die gut geschützte Seru Bocca Marina. Das Schiff wird während unseres kurzen Schweizer Aufenthaltes da bleiben und von Wind und Wetter und hoffentlich auch vor Dieben geschützt sein.

Eigentlich hatten wir gemeint, dass in Bonaire alles geputzt, geflickt, Öl und Dieselfilter an Motor und Generator gewechselt und o.K. sei. Aber es gibt immer wieder Überraschungen. Diesmal steigt mein Kühlschrank aus, was bei der feuchten Hitze einiges an Improvisation braucht. Die Kühltasche wird mit in Plastiksäcke abgefüllten Eiswürfeln gefüllt und das Fleisch, Butter Käse usw. so aufbewahrt und die Eispackungen alle 8-12 Stunden erneuert ( zum Glück habe ich noch ein Gefrierfach). Das luftgekühlte Frigosystem funktioniert nur bei tieferen Aussentemperaturen, d.h. der Kompressor wird überhitzt und gibt eben den Geist auf. Für uns heisst das: Ersatzteile suchen, aber noch besser ein wassergekühltes System einbauen. Und schon steht wieder eine grössere Reparatur an.

Vor der Weiterreise nach Cartagena ( Kolumbien) und in Richtung Panamakanal muss das Kühl-schrankproblem noch gelöst werden.

Die letzten Wochen in den Venezolanischen Inseln waren traumhaft. Gerne wären wir auch der Festlandküste entlang gesegelt, die ebenfalls sehr schön sein muss. Ausflüge ins Landesinnere mit seinen zahlreichen bekannten Nationalparks hätten neue Perspektiven gebracht. Unter Seglern wird davon abgeraten, da die Sicherheitslage entlang der Küste sehr heikel ist.

Zurück Seite 9 Weiter